Gastbeitrag: Virtuelle Museen – Ein Plädoyer. Rund um die Uhr. Rund um die Welt.

Das Forum "Virtuelle Museen" ruft im Newsletter Digitale Kultur dazu auf, virtuelle Museen als Institutionen in der Museumslandschaft zu etablieren.

Eine Frau zieht eine VR-Brille auf.
Virtuell unterwegs: VR-Brille im Test bei der Tagung Gemeinsam Digital 2024. | © MFG Baden-Württemberg
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Wie lässt sich das Museum im digitalen Raum neu denken? Die Publikation Virtuelle Museen – Ein Plädoyer (Deutscher Kunstverlag/De Gruyter 2024) der Autor*innengruppe "Forum Virtuelle Museen" widmet sich dieser Frage und stellt Konzepte vor, die virtuelle Museen als eigenständige kulturelle Formate in den Mittelpunkt rücken. Für den MFG Newsletter Digitale Kultur stellen Bernd Günter, Julia Römhild, Anja Kircher-Kannemann und Theresa Stärk aus der Autor*innengruppe zentrale Inhalte und Ziele des Plädoyers vor.

Ziele des Plädoyers

Dass die Digitalisierung und Digitalität den Kulturbereich und die Arbeit in Kulturbetrieben grundlegend verändert haben, wurde nicht erst durch die Corona-Pandemie deutlich. Die Publikation Virtuelle Museen – Ein Plädoyer zielt auf das Zusammendenken von Digitalität – oder auch Virtualität – und Museen als kulturellen Institutionen ab. Sie will Impulse geben, virtuelle Museen nicht nur als digitale Erweiterung bestehender Einrichtungen, sondern als eigenständige, kuratierte Räume zu begreifen.

Ziel des Projekts ist es, virtuelle Museen als Institutionen in der Museumslandschaft zu verorten – gemeint sind dabei nicht lediglich digitale Sammlungspräsentationen oder virtuelle Rundgänge, sondern vielmehr unabhängige Museen mit einer "eigenen", generischen Sammlung. Die zentrale Botschaft lautet: "Etabliert virtuelle Museen!" Das Plädoyer versteht sich damit teils als Leitfaden, teils als Appell und bietet eine Vielzahl an Denkanstößen, wie virtuelle Museen konzeptionell, institutionell und technologisch realisiert werden könnten. Neben Fragen zur inhaltlichen Ausgestaltung werden auch Potenziale im Hinblick auf Nachhaltigkeit, digitale Infrastrukturen und Ressourcenschonung aufgezeigt.

Die Veröffentlichung wurde durch das internationale Fachkomitee ICOM AVICOM des Museumsverbands ICOM mitgetragen. Rezeption und Unterstützung erfährt sie zudem durch ICOM Deutschland, den Deutschen Museumsbund sowie die ICOM Deutschland Young Professionals, die die angestoßene Diskussion aktiv weiterführen möchten.

Worum geht es im Plädoyer?

Virtuelle Museen – Ein Plädoyer stellt fünf grundlegende Fragen in den Mittelpunkt:

  1. Was ist ein virtuelles Museum – bzw. was ist "virtuell" an einem Museumskonzept?
  2. Für welche Themen, Sammlungen oder Konstellationen kann ein virtuelles Museum besonders geeignet sein?
  3. Welche Funktionen kann ein virtuelles Museum erfüllen?
  4. Für welche Zielgruppen kann ein virtuelles Museum interessant sein?
  5. Inwiefern kann ein virtuelles Museum den Museumsfunktionen gemäß ICOM-Definition nachkommen?

Die Publikation geht dabei von einem virtuellen Museum als autonomes Online Exclusive-Modell aus, das ein ausschließlich online existierendes Angebot ohne Pendant eines physischen Museums ist. Die Exklusivität virtueller Museen, die digitale Objekte und Daten beherbergen und ausstellen, wird dabei betont und klar von dem musealen "analogen" Ausstellungsraum nach seiner institutionellen Daseinsform abgegrenzt. Die virtuell dargestellten digitalen Sammlungsobjekte und -daten können sowohl materiellen oder virtuellen Ursprungs sein: Exponate eines solchen autonomen virtuellen Museums können sowohl Born-Digital-Objects (wie Net Art, Videokunst und Video Game Art) sein, als auch ursprünglich materielle Objekte, die als Digitalisat reproduziert online dargestellt werden.

Die Diskussion über virtuelle Museen hat in den letzten Jahren deutlich an Dynamik gewonnen. So wurde beispielsweise Ende 2023 in den Medien bekannt, dass die UNESCO gemeinsam mit weiteren internationalen Institutionen plant, ein virtuelles Museum für gestohlene Kulturgüter zu etablieren. Solche Entwicklungen zeigen, wie relevant und aktuell die Thematik ist – und wie notwendig eine vertiefte, konzeptionell fundierte Auseinandersetzung.

Auch wenn die ICOM Museumsdefinition, die 2022 in Prag neu verabschiedet wurde, sich zunächst nur auf das klassische "analoge" Museum bezieht, so lassen sich Ziele und Funktionen des Museums gemäß ICOM Museumsdefinition und ICOM- Standards für Museen auch auf virtuelle Museen beziehen, denn: Auch virtuelle Museen sollen der Öffentlichkeit zugänglich sein und interaktive Elemente nutzen, um zu bilden, zu forschen, auszustellen und für die Besucher*innen ein Erlebnis zu schaffen!

Wie und warum ist das Plädoyer entstanden?

Urheber der Idee war Reinhard Gröne, ehemaliger Kommunikationsmanager und Galerist. Bereits 2014 entwickelte er das Konzept eines virtuellen Museums zum Thema "Zeit". Nach einem ersten Erfolg – dem Gewinn eines Ideenwettbewerbs – verfolgte eine Gruppe um ihn, Holger Simon und Bernd Günter das Vorhaben weiter. Allerdings blieb eine nennenswerte Förderung oder Unterstützung aus – insbesondere durch die etablierte Museumsszene oder kulturpolitische Programme. Die Zeit schien noch nicht reif. Man entschloss sich daher, zunächst das Konzept eines virtuellen Museums in seiner extremsten Form – also ohne analoges Pendant – grundsätzlich zur Diskussion zu stellen.

Aus dieser Initiative heraus entstand in der erweiterten Gruppe "Forum Virtuelle Museen" ein Plädoyer, sich mit virtuellen Museen, ihren Einsatzmöglichkeiten und Potenzialen auseinanderzusetzen. Die Veröffentlichung erfolgte 2024 als Buch im Open-Access-Modus.

Wer steht hinter der Autorengruppe "Forum Virtuelle Museen"?

Für Virtuelle Museen – Ein Plädoyer fanden sich Expert*innen aus unterschiedlichen beruflichen Feldern zusammen – vereint durch das Interesse an der Frage, welches Potenzial in virtuellen Museumsformaten liegt. Besonders prägend war dabei der enge Bezug zur Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf: Ein Großteil der Beteiligten ist als Absolvent*in oder Lehrende*r mit dem Masterstudiengang "Kunstvermittlung und Kulturmanagement" assoziiert, der sich als inhaltlicher Ausgangspunkt und Impulsgeber des Projekts erwiesen hat.

Aus der Verbindung von wissenschaftlicher Reflexion und praktischer Erfahrung entstand eine Autor*innengruppe, in der sich vielfältige Perspektiven bündeln: Kommunikations- und Nachhaltigkeitsexpertise trifft auf kulturpolitisches und juristisches Know-how, auf kuratorische Praxis, digitale Kunst- und Geschichtsvermittlung, strategisches Marketing und Entrepreneurship. Beteiligt sind Isabelle Becker (Art Basel), Otmar Böhmer (Kunstmuseum Wolfsburg/Kunststiftung Volkswagen), Reinhard Gröne (Angel Engine e.V.), Univ.-Prof. Dr. Bernd Günter (HHU Düsseldorf), Rebecca Heinzelmann (Studio Heinzelmann und Volksbank Kassel Göttingen eG), Dr. Anja Kircher-Kannemann (Jugendstilforum Bad Nauheim), Dr. Yasmin Mahmoudi (Rechtsanwältin, HHU Düsseldorf), Dr. Julia Römhild (HHU Düsseldorf), Apl. Prof. Dr. Holger Simon (Pausanio, Universität zu Köln), Theresa Stärk (Institut für Kunstgeschichte, HHU Düsseldorf) sowie Laura Zebisch (Goethe-Institut).

Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, insbesondere der Masterstudiengang "Kunstvermittlung und Kulturmanagement", erwies sich dabei als wichtige Keimzelle und Plattform für Austausch, Entwicklung und Vernetzung.

So entstand ein interdisziplinäres Netzwerk, das unterschiedliche Sichtweisen auf virtuelle Museen ermöglicht – fundiert, kritisch und zukunftsgerichtet.

Die Arbeitsgruppe bringt sich mit Impulsen in die Entwicklung eines virtuellen Museums ein und setzt sich weiter mit virtuellen Museen wissenschaftlich auseinander.

Quelle: MFG Baden-Württemberg / Text: Bernd Günter, Julia Römhild, Anja Kircher-Kannemann und Theresa Stärk
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